Demenz: Aggressionen gegen Angehörige & Betreuungskräfte

Demenz äußert sich zunächst im Mangel von Orientierung und dem Zeigen von Vergesslichkeit, innere Unruhe sowie Apathie und anderen Verhaltensstörungen. Erst später kommen Aggressivität, Wut und herausforderndes Verhalten dazu. Rund fünfzig Prozent der Menschen, welche an Demenz erkranken, weisen aggressives Verhalten auf. Der Grund ist medizinisch erklärbar. Einige Regionen im Gehirn, welche für das Verhalten und Kontrolle von Impulsen verantwortlich sind, verändern sich zusehends. Vielen Erkrankten ist anfangs die Veränderung ihres Wesens sogar bewusst, was ebenfalls in Aggression und auch Angst münden kann. Dazu kommen Faktoren von außen und eine nicht vertraute Wohnumgebung, beispielsweise wenn Angehörige die erkrankte Person in ein Pflegeheim geben. In zahlreichen Fällen werden Aggressionen und Wut ohne die Zugabe von Medikamenten behandelt.

Wenn Menschen ein aggressives Verhalten an den Tag legen, dann ist das nicht nur für das Umfeld schwer zu ertragen, sondern hat auch eine Ursache. Von Natur aus sind wir weder bösartig, aggressiv, noch will man anderen vorsätzlich schaden. Dies sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, kann helfen, die Objektivität zu bewahren, wenn ein geliebter Mensch, Angehöriger oder eine vertraute Person aufgrund einer Demenzerkrankung nicht Herr seiner eigenen Gefühle ist.

Als Erkrankter nimmt man den eigenen Alltag sowie die Umgebung oft anders wahr, als gesunde Menschen. Dieser sieht Dinge sowie Vorgänge skeptischer, wenn nicht sogar bedrohlicher und konfliktbehaftet. Viele nicht mehr verstandenen Abläufe, welche damit zusammenhängen, überfordern sie. Das führt über kurz oder lang zu Angst und Depressionen. Wut kann ebenfalls ein starkes Gefühl sein, was damit einhergeht, dass Demenzkranke ihre Gefühle nur schwer in Worte fassen sowie wiedergeben können. Ungeduld und Aggressivität stellen sich schnell ein.

 

Je mehr die Demenz voranschreitet, umso geringer ist die eigene Kontrolle über Vorgänge zu bewahren, wo bei der Person früher noch eine Hemmschwelle existierte. Grenzüberschreitendes Verhalten, impulsive Handlungsweisen und Handgreiflichkeit sind dann Folgeerscheinungen, welche bei gesunden Menschen zumeist auf Unverständnis stoßen. Schon Kleinigkeiten können dazuführen, dass Erkrankte sich aufregen, echauffieren und schnell reizbar sind. Nicht selten sind Beleidigungen und körperliche Übergriffe die Folge, je nach Stadium der Demenz.

Gerade wenn Angehörige, Bekannte und Freunde die an Demenz erkrankte Person sehr viele Jahre kennen ist es schwer die aktuelle Situation und Lage zu akzeptieren, indem sich der oder die Gegenüber befindet. War der Erkrankte früher ein sehr lieber, besonnener und ruhiger Mensch, so wird es umso befremdlicher, wenn er plötzlich schnell gereizt, taktlos und ablehnend auf einzelne nahestehende Menschen wirkt. Betroffene folgen mit dem Fortschritt der Demenz zunehmend ihren Urtrieben sowie Impulsen, sei es in Form von sexueller oder körperlicher Enthemmung jeglicher Art. Dies tritt zumeist bei Parkinson, frontotemporaler- und Levy-Body-Demenz auf.

 

Auch gegen Pflegepersonal sowie Betreuern treten derartige Verhaltensweisen in Erscheinung, es ist also nicht eine Sache, welche sich ausschließlich gegen die eigenen Angehörigen richtet. Menschen, welche in der Altenpflege und Betreuung sowie im medizinischen Sektor aktiv sind, betreuen in der Regel keine Angehörigen in den Einrichtungen, wo sie arbeiten. Es soll zum einen verhindert werden, dass durch persönliche und private Bindungen bestimmte Patienten bevorzugt behandelt werden. Zum Anderen können Pflege- und Betreuungskräfte eine gewisse emotionale Distanz zum Erkrankten halten, so ist es zumindest theoretisch vorgesehen.

Dass ein Mensch mit Demenz über kurz oder lang irgendwann an der Krankheit beziehungsweise den Folgen sowie Begleitsymptomen sterben wird, ist jedem bewusst, der die Diagnose entweder selbst erhält oder erfährt, dass eine nahestehende Person diese hat. Die Monate und Jahre nach dem Erhalt der Diagnose sind dann die schwersten, besonders für die betroffene Person und das nähere Umfeld. Einerseits möchte man noch die letzten Monate oder Jahre gemeinsam und zusammen verbringen. Anderseits wächst die Gewissheit, dass sich das eigene Leben zukünftig und dauerhaft verändern wird.

 

Wer demenzkranke Menschen im Rahmen der häuslichen Pflege oder in einem Heim betreut und sich um diese kümmert, baut eine Verbindung zu der jeweiligen Person auf, das ist unbestreitbar. Dies ist auch normal, denn mit dem Umgang lernt eine Betreuungs- oder Pflegeperson nicht nur das Leben und Umfeld der erkrankten Person kennen. Sie bekommt auch den stetigen Persönlichkeitswandel des Demenzkranken sowie eine zunehmende Hilflosigkeit von Angehörigen mit. Letztgenannte sind in der Situation meistens froh, nicht alleine mit der Situation dazustehen. Im Idealfall sind Betreuer und Pfleger (m/w/d) gleichzeitig auch Ansprechpartner und werden zu einer Art Vertrauensperson für Angehörige. Sie können Fragen zum weiteren möglichen Verlauf kompetent beantworten und weitere Hilfestellungen geben.

Für jedes aggressive Verhalten gibt es eine Ursache, zumeist auch bei an Demenz erkrankten Menschen.

 

Situationen, wo Wut und Aggression auftreten kann sind beispielsweise das Anbieten oder Darreichen von Essen oder das Zurücklegen einer bestimmten Strecke seitens der betroffenen Person. Wenn ein Demenzkranker sich fortlaufend schwertut, mit Besteck richtig zu essen, kann das fortlaufend für Frust und Aggressionen sein. Auch kann das Essen nicht schmecken, worüber sich Erkrankte übertrieben aufregen.

In dieser Situation sollten Angehörige mit Ruhe und Besonnenheit reagieren. Hilfestellungen wie das Begleiten zu Terminen oder das Nachwürzen beziehungsweise Neu servieren von Speisen können erste Lösungsansätze darstellen, um mögliche Spannungen herauszunehmen. Daran erkrankte Menschen wollen außerdem sehr oft einen Arbeitsrhythmus so wie früher leben und zur Arbeit gehen, obwohl sie beispielsweise schon lange in Rente sind, dass ihnen aber nicht mehr bewusst ist.

Angehörige haben nun die Aufgabe, für geordnete Strukturen zu sorgen, in denen sich die erkrankte Person bewegen sowie daran orientieren kann, solange dies möglich ist. Wichtig ist immer, den jeweiligen Menschen als solchen wahrzunehmen und nicht alles der Krankheit unterzuordnen. Jeder hat es verdient, ein würdevolles Leben zu haben, selbst in einem nicht mehr gesundem Zustand, in dem sich ein Erkrankter oder eine Erkrankte befindet.

 

Wer beruflich eine an Demenz erkrankte Person betreut beziehungsweise pflegt, hat gegenüber den Angehörigen einen gewissen Vorteil, sie sind emotional nicht so stark an das Schicksal vom Patienten gebunden. Natürlich wird eine Bindung und alltägliche Beziehung zu diesem aufgebaut. Am Ende eines Arbeitstages geht man als Betreuer und Pfleger nach Hause und weiß, dass es ja nicht der eigene Vater, Opa oder die eigene Mutter oder Oma ist.

 

Diese Denkweise ist nicht verwerflich und wenn man ehrlich zu sich selbst ist, normal. Das Ziehen einer emotionalen Grenze hilft Menschen aus solchen Berufsrichtungen dabei, ihre Objektivität zu bewahren und mit Erkrankten auf Augenhöhe zu kommunizieren. Ob das wirklich so einfach ist? In der Theorie ja. Auf die Praxis bezogen muss eine emotionale Distanz vorhanden sein, auch wenn es menschlich gesehen nicht leicht ist.

 

Wenn eine erkrankte Person aggressiv reagiert, sollte man das weder als Angehöriger noch als Betreuungs- und Pflegepersonal persönlich nehmen. Mit Ruhe und Besonnenheit lösungsorientiert handeln, um Aggressionen zu verhindern oder wenigstens abzumildern ist das oberste Gebot im Umgang mit Demenzkranken. Den Raum in starken Konfliktsituationen zu verlassen, stellt für Angehörige nur eine kurzfristige Lösung dar.

 

Wer in einem der Berufe jedoch arbeitet, muss für die körperliche Unversehrtheit des jeweiligen Patienten sorgen. Höhepunkte und Freude in das Leben von Demenzkranken bringen, statt sie nur sinnbildlich abzuparken sorgt für Erfolgserlebnisse. Aggressionen können auch symbolische Hilferufe von Betroffenen sein. Deren Bedürfnisse zu erkennen und nachzugehen sorgt für die Vermeidung von Konfliktsituationen. Betroffene und Angehörige können uns bei Fragen oder Anliegen jederzeit kontaktieren. Wir beraten nicht nur, sondern helfen auch aktiv anstehende Aufgaben und Situationen zu meistern.

 

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