Die Eltern im Alter begleiten - wie viel Pflege sind wir schuldig?

Pflegende Angehörige - Zwischen Fürsorge und Aufopferung

Der zweijährlich veröffentlichte Pflegebericht des Statistischen Bundesamtes offenbart, was viele Menschen bereits schon geahnt oder sogar persönlich erlebt haben: Von 4,1 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland wird lediglich ein Fünftel vollstationär betreut. Weitere 24 Prozent werden von ambulanten Pflege- oder Betreuungsdiensten versorgt. Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte aller pflegebedürftiger Personen (56 Prozent) zuhause gepflegt wird, in der Regel von nahestehenden Angehörigen.

Mit steigendem Alter erhöht sich auch das Risiko, zum Pflegefall zu werden. Während in der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen im Jahr 2019 ca. 8 Prozent pflegebedürftig waren, so stieg dieser Anteil in der Altersgruppe der über 90-Jährigen auf 76 Prozent an. Ein so hohes Alter zu erreichen kann ein Segen sein - doch auch nur, wenn die Lebensqualität und eine möglicherweise notwendige Fürsorge gesichert sind!

Doch was sich in Zahlen nur schwer ausdrücken lässt, sind Fragen der Verantwortlichkeit: Sind wir verpflichtet, unsere Angehörigen zuhause selbst zu pflegen, wenn sie sich nicht mehr um sich selbst kümmern können? Wie selbstverständlich ist es heutzutage, dass die eigenen Eltern versorgt werden, wenn Kinder regelmäßig voll berufstätig sind und darüber hinaus möglicherweise eigene Kinder zu versorgen haben? Müssen Karriere und eigene Freiheiten plötzlich wieder hinten anstehen, wenn die Eltern von einem auf den anderen Tag voller Hoffnung ihren Blick auf die eigenen Kinder richten, um notwendige Unterstützung zu erhalten? Welche gesetzlichen Verpflichtungen und Regelungen könnten hier greifen?

 

Gesetzliche Regelungen für pflegende Angehörige

Der Generationenvertrag beschreibt ein wissenschaftliches Erklärungsmodell der Rentenversicherung als Teil der Sozialleistungen in Deutschland. Er regelt die unausgesprochene Übereinkunft der Solidarität zwischen den Generationen. Während wir als Kinder die Möglichkeit erhalten, gut versorgt und betreut aufzuwachsen und später einen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, finanziert die Dauer der Berufstätigkeit sowohl die unbeschwerte Kindheit der nächsten Generation, wie auch den Ruhestand der vorherigen.

Dieser Generationenvertrag umfasst jedoch lediglich die Absicherung während der Kindheit sowie im Ruhestand und schließt keine Pflicht zur Pflege mit ein. Niemand in Deutschland kann gesetzlich dazu verpflichtet werden, seine Angehörigen zu pflegen, wenn er dies nicht möchte. Vielmehr besteht eine Pflegeversicherungspflicht, die sowohl für gesetzlich als auch privat versicherte Personen abgeschlossen werden muss und eine finanzielle Absicherung im etwaigen Pflegefall vorsieht.

Wird ein Mensch pflegebedürftig, dann springt die Pflegeversicherung ein. Die Leistungen hängen hierbei sowohl von der Pflegestufe ab, welche eine zu pflegende Person erhält, sowie den Umständen, unter welchen die Pflege stattfindet. So kann es einen Unterschied machen, ob eine Betreuung durch pflegende Angehörige zuhause gewährleistet wird, durch eine professionelle ambulante Betreuung oder aber in vollstationärer Pflege vorgenommen wird. Einen guten Überblick für Angehörige und Betroffene gibt der Pflegeleistungs-Helfer der Bundesregierung.

Emotionale Verpflichtungen für pflegende Angehörige

Die Rechtslage mag eindeutig sein. Eine Pflegepflicht für Angehörige gibt es nicht, während Kosten zu unterschiedlichen Teilen von der Pflegeversicherung übernommen werden. Doch rechtliche und finanzielle Aspekte sind nur eine Seite der Medaille. Wie sieht es mit der emotionalen Verpflichtung aus, welche gegenüber zu pflegenden Angehörigen besteht? Meist sind es die erwachsenen Kinder, welche plötzlich vor einer großen Herausforderung stehen, wenn die eigenen Eltern zum Pflegefall werden.

Nicht jeder sieht sich persönlich in der Lage, die verantwortungsvolle Aufgabe einer Pflege zu übernehmen. Hierbei spielen viele Faktoren eine wichtige Rolle: Wie zeitintensiv ist der Umfang der benötigten Pflege? Wie sieht die eigene Lebenssituation momentan aus? Auch das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern kann eine wichtige Rolle spielen.

Wer in seiner Kindheit von seinen Eltern stets unterstützt wurde und es beruflich einrichten kann, etwas kürzer zu treten, sieht in dem eintretenden Pflegefall vielleicht eine Chance, seinen Eltern voller Dankbarkeit ein wenig von der Fürsorge und Liebe zurückzugeben, die ihm in der eigenen Kindheit zuteil wurde.

Sind familiäre Verhältnisse jedoch zerrüttet oder der eigene Arbeitsplatz akut gefährdet, kann die plötzliche Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen eine enorme Belastung werden, die es schnell zu lösen gilt. Doch was tun?

 

Das Dilemma des Pflegenotstands in Deutschland

Eine naheliegende Möglichkeit, gerade bei einer erforderlichen Vollzeitpflege, scheint die Unterbringung in einem Pflegeheim zu sein. Leider stößt das Pflegesystem in Deutschland jedoch bereits seit vielen Jahren an seine Grenzen. Der zum politischen Schlagwort gewordene "Pflegenotstand" zeigt, wie sich eine mangelhafte Bezahlung, unbesetzte Stellen, chronische Überlastung des Pflegepersonals und eine immer größer werdende Anzahl der pflegebedürftigen Personen in einer schlechten Qualität in der Betreuung und Pflege niederschlagen. Selbst ambitionierte Maßnahmen, welche meist vor der aktuellen Legislaturperiode von den Parteien versprochen wurden, greifen laut einem Bericht des Pflegerats nicht.

Die Folge des anhaltenden Pflegenotstands sind schlechte Unterbringungsbedingungen, mangelhafte Versorgung und - vielleicht das größte Problem - das vollständige Fehlen einer liebevollen und fürsorglichen Betreuung im Pflegefall, welche durch überlastetes und unterbezahltes Pflegepersonal nicht geleistet werden können. Doch welche Möglichkeiten bleiben, wenn den eigenen Eltern oder zu pflegenden Angehörigen dieses Schicksal erspart bleiben soll?

 

24-Stunden-Pflege als Alternative für pflegende Angehörige

Ein Lichtblick für Menschen, die vor der großen Herausforderung der Pflege ihrer Angehörigen stehen, sind häusliche Betreuungskräfte. Diese bieten eine großartige Möglichkeit, Angehörige zu entlasten. Während die Angst und Verpflichtung genommen wird, die Eltern oder weitere Angehörige ganz allein versorgen zu müssen, können Betroffene das Maß an Unterstützung erhalten, welches für ihre momentane Situation erforderlich ist. So kann die Inanspruchnahme einer 24-Stunden-Pflegekraft

 

  • den Umfang der eigenen Pflegeleistung reduzieren,
  • die Pflege für Angehörige flexibler gestalten
  • individuelle und würdevolle Betreuung zu Hause ermöglichen

Indem Angehörige sich von einer häuslichen Betreuungskraft unterstützen lassen, können sie sich weiterhin um die Betreuung ihrer zu pflegenden Angehörigen kümmern, ohne hierbei jedoch große Nachteile im Beruf oder dem eigenen Familienleben zu erleben: Der Beruf kann weiterhin ausgeübt werden und die eigenen Kinder werden zuverlässig versorgt, während die emotionale Verpflichtung gegenüber den Eltern eingelöst wird.

 

Für jede Lebenssituation eine passende Entscheidung treffen

Zwar gibt es in Deutschland keine Verpflichtung, die eigenen Eltern oder weitere Angehörige zu pflegen. Von der emotionalen Verantwortung, die Eltern im Fall der Fälle versorgen zu müssen, wird sich jedoch so schnell niemand entbinden lassen können. Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass der eigene Beruf sofort aufgegeben werden muss, sobald ein Elternteil zum Pflegefall geworden ist. Auch mag es für viele Menschen unvorstellbar sein, plötzlich mit den Eltern wieder in einem Haus zu leben, um eine Vollzeitpflege zu übernehmen. Auch könnte ein eigenes betreuungsbedürftiges Kind der Pflege eines weiteren Familienangehörigen im Wege stehen - irgendwann sind die Kräfte aufgebraucht und die Ressourcen erschöpft.

Es gibt jedoch viele Zwischenschritte zwischen den Extremen der Vollzeitpflege und der völligen Abschottung von dieser Verantwortung. Und diese können ganz im Einklang mit der eigenen momentanen Lebenssituation ausgeschöpft werden. So kann das Verhältnis zu den zu pflegenden Angehörigen gefestigt oder aufrechterhalten werden, während die eigene Familie (sowie die ganz individuelle seelische Gesundheit) nicht unter der plötzlichen Belastung leidet. Wie diese Entscheidung getroffen wird und in welchem Umfang professionelle Pflegeleistungen in Anspruch genommen werden sollen, ist jedoch eine höchstpersönliche Entscheidung, die jeder Betroffene für sich selbst zu treffen hat.

Wichtig ist hierbei nur zu verstehen, dass es kein "richtig" oder "falsch" gibt und Werturteile gerade in der Frage der Pflege völlig fehl am Platze sind. Jeder muss seine eigenen Kapazitäten richtig einschätzen und für sich selbst herausfinden, wie viel Energie er für die Pflege seiner Eltern oder anderer zu pflegender Angehöriger aufbringen möchte und zu wie viel Fürsorge er sich emotional verpflichtet fühlt.

 

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