Der Entlastungsbetrag - Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Entlastungsbetrag ist ein etwas sperriger Begriff, bedeutet aber genau das: der Hilfsbedürftige und/oder die Pflegebedürftigen sollen im Alltag entlastet werden. Der Entlastungsbetrag ist ein monatlicher Anspruch auf bis zu 125,00 EUR, die allen Pflegebedürftigen bereits ab Pflegegrad 1 zur Verfügung stehen.

Die Idee an sich ist gut: mit dem Entlastungsbetrag kann man sich kleine Hilfen zur Bewältigung des Alltags einkaufen können. Darunter fallen zum Beispiel Fenster putzen, Einkäufe erledigen oder die Fahrt- und Begleitdienste. Die Nachfrage nach solchen Angeboten ist enorm groß. Genau so groß sind aber auch die Hürden, um den Entlastungsbetrag in Anspruch zu nehmen.

Denn der Entlastungsbetrag wird nicht ausgezahlt, sondern ist eine sogenannte Sachleistung, die bei Erbringung von der Pflegekasse erstattet wird. Erstattet werden aber nur die Dienstleistungen, die von einem anerkannten Dienst erbracht wurden.

Es gibt viele Dienste, die von den Pflegekassen anerkannt werden. Darunter sind in erster Linie natürlich die Sozialstationen, Diakonien oder zugelassene private Pflegedienste. Sie alle beschäftigen in der Hauptsache ausgebildete Pflegekräfte. Diese Pflegekräfte sind in der Regel mit pflegerischen Aufgaben ausgelastet, aber auch schlichtweg zu teuer, um für hauswirtschaftliche Aufgaben eingesetzt zu werden.

Es würde daher durchaus Sinn machen, weitere Dienste zuzulassen, die ausschließlich niedrigschwellige Leistungen anbieten. Jedoch sind die Hürden für die Zulassung erheblich. Dazu kommt, dass diese auch noch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt sind.

Die Bundesländer setzen für die Anerkennung von Diensten, die entlastende Haushaltstätigkeiten anbieten, die gleichen hohen Anforderungen an wie für die Betreuung von Pflegebedürftigen.  Zu den Vorgaben gehört beispielsweise der Nachweis von Schulungen. In Baden-Württemberg müssen Mitarbeiter von Unternehmen, die haushaltsnahe Dienstleistungen erbringen. mindestens 160 Schulungsstunden absolvieren. Außerdem müssen Sie von einer Fachkraft angeleitet und eingewiesen werden. Die Fachkraft muss eine entsprechende Ausbildung haben, entweder aus dem pflegerischen, medizinischen oder hauswirtschaftlichem Bereich.

Experten wie zum Beispiel der Sozialverband VDK sind sich einig, dass diese Hürden für die Anerkennung eines Dienstes zur Abrechnung des Entlastungsbetrages einfach zu hoch sind.

Die Idee, den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, eine Entlastung im Alltag durch Hilfe im Haushalt anzubieten, ist generell richtig und gut. Aber wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Anerkennung dieser Dienste gleichzeitig zu vereinfachen? Und der ursprüngliche Gedanke, nachbarschaftliche Strukturen zu fördern, ist gänzlich verloren gegangen. Denn mit dem Entlastungsbetrag kann man eben nicht die Nachbarin entlohnen, die jeden Freitag für den Senior nebenan einkaufen geht.

Eine weitere Folge der langwierigen Anerkennung sind die steigenden Preise für die hauswirtschaftlichen Leistungen. Auch hier sind die Vorgaben der Bundesländer sehr unterschiedlich oder fehlen sogar ganz. Mit der Folge, dass die Stundensätze bis zu 60 Euro betragen können. So wird dann auch der Entlastungsbetrag mit 125 Euro monatlich nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sein können.

Die örtlichen Pflegedienste können sich indes vor Anfragen nach hauswirtschaftlichen Dienstleistungen nicht mehr retten. Sie sind oft händeringend auf der Suche nach Personal für die niedrigschwelligen Angebote. Aber nicht nur personelle Kapazitäten fehlen: jeder Mitarbeiter, der hauswirtschaftliche Leistungen oder Fahr- und Begleitdienste erbringt, benötigt ein Fahrzeug. Auch das verursacht Kosten. Hinzu kommt der administrative Aufwand: die Route muss geplant werden und der Mitarbeiter effizient eingesetzt werden.

Viele Pflegedienste sprechen bereits von einem Negativgeschäft, welches sie am liebsten ablehnen würden.

Mit dem Entlastungsbetrag können Pflegebedürftige aber noch weit mehr anfangen als lediglich Hilfe im Alltag zu bezahlen.
Weitere Einsatzmöglichkeiten für den Entlastungsbetrag:

  • Bezahlung der Eigenleistungen bei der Kurzzeitpflege (sogenannte "Hotelkosten")
  • Eigenleistungen bei Tages - oder Nachtpflege (in der Regel die Verpflegungskosten)
  • Angebote zur Entlastung der Pflegepersonen (zum Beispiel Gesprächskreise)

Im Pflegegrad 1 können körperbezogene Pflegemaßnahmen wie zum Beispiel Duschen, Anziehen etc. von Pflegediensten in Anspruch genommen werden

Der Entlastungsbetrag kann nicht im Voraus in Anspruch genommen werden. Der Pflegebedürftige hat aber die Möglichkeit, den Entlastungsbetrag "anzusparen" und dann einen höheren Betrag für eine große Leistung zur Verfügung zu haben. Dies ist besonders sinnvoll, wenn man weiß, dass zum Beispiel am Ende des Jahres ein Aufenthalt in einer Kurzzeit-Pflegeeinrichtung ansteht. Denn die Kosten, die man bei der der Kurzzeitpflege selbst aufbringen muss, können wöchentlich 500 Euro durchaus übersteigen.

Nicht verbrauchte Beträge müssen spätestens im darauffolgendem Kalenderjahr abgerufen werden, sonst verfallen sie. Aufgrund einer Ausnahmeregelung des Pflegestärkungsgesetzes 2 können die Leistungen aus den Jahren 2015 und 2016 noch bis Ende 2018 abgerufen werden.

Tatsächlich ist es so, dass in den vergangenen Jahren die Entlastungsbeträge eher selten in Anspruch genommen wurden. Grund dafür ist, dass die Pflegeversicherungen eher zurückhaltend über die Möglichkeiten des Entlastungsbetrages informiert haben. Nur die wenigsten Versicherten wussten tatsächlich Bescheid über die Möglichkeit des "Ansparens" und der weiteren Einsatzmöglichkeiten. Für die Pflegeversicherung eine enorme Einsparung: noch heute haben die Kassen riesige Beträge an nicht abgerufenen Leistungen in ihren Büchern stehen.

Die Bilanz nach der Reform des Entlastungsbetrages ist aktuell eher ernüchternd. Die Hilfe kommt nicht dort an, wo sie tatsächlich benötigt wird. Sowohl die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen als auch die Erbringer der gewünschten Dienstleistungen hatten sich mehr erhofft.

Es muss also durch die Politik und die Pflegeversicherungen deutlich nachgebessert werden. Mit der Herabsenkung der Vorgaben für die Anerkennung wäre es aber immer noch möglich, den Entlastungsbetrag wirkungsvoller und effektiver zu gestalten.

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