Das Pflegestärkungsgesetz 2: Das ändert sich für die häusliche Pflege

2017 tritt die größte Reform der Pflegeversicherung seit ihrer Einführung in Kraft. Vor allem für die häusliche Pflege hat das Pflegestärkegesetz 2 weitreichende Folgen. Wir zeigen Ihnen, was sich alles ändern wird und welche Folgen für Sie und ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu erwarten sind.

Die Pflegeversicherung wurde vor über zwanzig Jahren gegründet. Damals war es vor allem wichtig, wie der körperliche Zustand eines Patienten war und wie mobil er noch war. Demenzielle oder psychische Krankheiten standen noch nicht im Focus.

Erst allmählich wurde der Politik bewusst, dass Pflegebedürftigkeit nicht nur durch körperliche Gebrechen verursacht wird. So entstand die Pflegestufe 0. Aber auch hier wurden nicht alle Aspekte der demenziellen und psychischen Krankheiten ausreichend berücksichtigt.

Das Ziel des Pflegestärkegesetz 2 ist daher eine "bessere Berücksichtigung der individuellen Situation von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen und einen Abbau von Unterschieden im Umgang mit körperlichen und geistigen Einschränkungen", so das Bundesministerium für Gesundheit.

Dazu wurde unter anderem der Begriff der "Pflegebedürftigkeit" völlig neu gefasst.

In Zukunft wird die Selbständigkeit eines Menschen geprüft sowie seine Fähigkeitsstörungen. Dabei werden nicht nur körperliche Beeinträchtigungen sondern nun auch psychische und geistige Problemlagen bewertet.

Die Mobilität bleibt aber auch weiterhin ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung einer Pflegebedürftigkeit.

Ziel ist es mit dieser neuen Definition auch die große Gruppe von Menschen mit einer Demenzerkrankung oder psychischen Problemen (zum Beispiel Depressionen) zu berücksichtigen.

Nicht mehr berücksichtigt wird, wie groß der Pflegebedarf in Minuten ist. 

Der MD wird in Zukunft bei der Beurteilung eines Pflegebedürftigen andere Kriterien zugrunde legen wie bisher. Ab 2017 wird die Pflegebedürftigkeit durch 8 verschiedene Module geprüft, die unterschiedlich stark gewichtet werden.

Modul 1: Mobilität

Körperliche Beweglichkeit. Dazu gehören Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereiches, Treppensteigen
 

Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Verstehen und Reden. Dazu gehören Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, Örtlich Orientierung, Zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch
 

Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

Motorische und soziale Auffälligkeiten. Dazu gehören motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigung von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen


Modul 4: Selbstversorgung


Inwieweit kann die Person sich noch ohne fremde Hilfe versorgen. Dazu gehören Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes (Kämmen, Zahnpflege/ Prothesenreinigung, Rasieren), Waschen des Intimbereichs, Duschen oder Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde

Modul 5: Bewältigung und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen oder Belastungen
 

Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge (Port), Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, Körpernahe Hilfsmittel, Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung bei Stoma, Regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (bis zu drei Stunden), zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (länger als drei Stunden), Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- und therapiebedingter Verhaltensvorschriften

Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Wie kommt der Pflegebedürftige noch im Alltag zurecht? Dazu gehören die Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, sich beschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfeldes

Modul 7: Außerhäusliche Aktivitäten:

Wie selbständig kann sich die betroffene Person noch im öffentlichen Raum bewegen, an Veranstaltungen teilnehmen und öffentliche Transportmittel nutzen

Modul 8: Haushaltsführung


In diesem Modul wird die Selbständigkeit bei Tätigkeiten wie Einkaufen, Behördengängen oder Regelung finanzieller Angelegenheiten ermittelt


Hinweis:

Die Module 7 und 8 werden nicht für die Einstufung der Pflegebedürftigkeit herangezogen. Der Gutachter des MD oder ein Pflegeberater kann aus diesen Ergebnissen aber Erkenntnisse ziehen, um weitere Sozialleistungen anzubieten oder einen Versorgungsplan zu erstellen.

Als allgemeine Regel kann man sagen, dass Pflegebedürftige mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen, automatisch in den nächsthöheren Pflegegrad übermittelt werden.
Menschen, die die Pflegestufe 0 bisher hatten, werden in den Pflegegrad 2 übergeleitet. Die Einstufung in den übernächsten Pflegegrad, gilt auch für alle Pflegebedürftigen mit eingeschränkten Alltagskompetenzen.

Der Pflegegrad 1 ist neu. Hier werden alle Menschen eingestuft, die bisher noch keine Pflegestufe hatten und noch keinen erheblichen Unterstützungsbedarf haben.

Mit dem Pflegegrad 1 erhalten diese Pflegebedürftigen dann zum Beispiel eine Pflege Beratung, eine Anpassung des Wohnumfeldes oder Leistungen der allgemeinen Betreuung.

Durch die Einführung des Pflegegrades 1 werden viel mehr Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Experten gehen von bis zu 500.000 neuen Leistungsempfängern aus.

Jeder dieser neuen Pflegebedürftigen hat Anspruch auf einen monatlichen Entlastungsbetrag von monatlich 125 Euro sowie auf zahlreiche weitere Leistungen von der Pflegeberatung über die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln bis hin zu Pflegekursen für Angehörige und ehrenamtliche Pflegende.

Unser Tipp:

Wenn die Pflegeversicherung Ihren Antrag auf eine Pflegestufe bereits einmal abgelehnt hat, stellen Sie den Antrag einfach noch einmal. Die Chancen, dass Sie zumindest in den Pflegegrad 1 gelangen, sind nun deutlich besser!

Wir unterstützen Sie gerne im Alltag - Jetzt anfragen!